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Freitag, 19 Juni 2015 06:33

Warum sich Unternehmen mit Neuromarketing beschäftigen sollten

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Dass unterschwellige Werbung wirkt beweisen mittlerweile mehrere Forschungsergebnisse Dass unterschwellige Werbung wirkt beweisen mittlerweile mehrere Forschungsergebnisse lolloj // shutterstock.com

Im Jahre 1957 sorgte der Journalist Vance Packard mit seinem Bestseller „Die geheimen Verführer“ für einen weltweiten Aufschrei! Im Buch berichtete er über eine neue Werbetechnik, mit der sich das menschlichen Verhalten beeinflussen lasse.

Packard griff dabei die Ergebnisse des US-Marktforschers James Vicary auf, der behauptete, in einem Experiment mit Kinobesuchern nachgewiesen zu haben, dass wiederholte kurze Werbeeinblendungen die Zuschauer in Ihrem Verhalten beeinflusse.

"Iss Popcorn, trink Cola"

Nach kurzen Einblendungen der Botschaft „Iss Popcorn, trink Cola“, die nur so kurz eingeblendet wurde, dass Sie für den Zuschauer gar nicht bewusst wahrnehmbar war, sei der Umsatz an den Kinokassen von Cola um 18% und der von Popcorn um 58% gestiegen.

Jene Ergebnisse gingen um die Welt und hatte zur Folge, dass in einigen Ländern sogar der Gebrauch von unterschwelliger Werbung verboten wurde.
Merkwürdig wurde das Ganze allerdings, als bei Wiederholungen des Experiments keine ähnlichen Ergebnisse erzielt werden.

1962 gab Vicary schließlich öffentlich zu, dass es das Experiment in der Form nie gegeben habe. Die Studie veröffentlichte er nur, um seinem gerade gegründeten Unternehmen neue Kunden zu gewinnen.1

Mythos unterschwellige Werbung

Bis heute gelten die Ergebnisse der Studie als Mythos hinsichtlich der Wirksamkeit von unterschwelliger Werbung, das Verbot diesbezüglich besteht in Deutschland dennoch nach wie vor.
Dass der Mythos der unterschwelligen Werbung, die in Fachkreisen auch als „Subliminale Werbung“ bezeichnet wird, kein Mythos ist sondern der Tatsache entspricht, beweisen mittlerweile neuere Studien.

Ihren Ursprung haben diese Studien wenige Jahre vor Vicarys spektakulärer Behauptung:
Bereits im Jahre 1949 formulierte der Psychologe Donald Hebb in seinem Werk „The Organzisation of Behavior“ die Grundregel nach denen Lernen im Gehirn funktioniert:

„Neurons that fire together, wire together“. Mit anderen Worten: Feuern zwei Nervenzellen gleichzeitig, stärkt dies ihre synaptische Verbindung.2


Die Grundregel des Lernens

Durch die Aktivität eines Neurons kann ein anderes Neuron zum Feuern gebracht werden, mit der Folge, dass durch das gleichzeitige Feuern ein Sinnesreiz entsteht, der mit der Ursache im Gedächtnis verknüpft wird. Klingt kompliziert, ist aber ganz einfach:

Angenommen Sie frühstücken morgens nichts, sondern trinken bloß zwei Tassen Kaffee. Anschließend fahren Sie mit dem Bus zur Arbeit... Anfangs wundern Sie sich, warum Ihnen während der Fahrt schlecht wird und Sie Herzrasen bekommen.

Nachdem das gleiche Szenario sich an den darauf folgenden Tagen wiederholt ist die Gefahr groß, dass besonders ängstliche Menschen daraus schließen, wohl eine Angst vor dem Busfahren zu haben, denn „..warum bekommen ich sonst nur so Herzrasen und Schwindel während dem Busfahren…“.


So entstehen Reiz-Verknüpfungen

Die realistischere Erklärung hierfür ist allerdings, dass die Angst vorm Busfahren gar keine Angst ist, sondern lediglich eine Folge, die sich durch Unterzucker und Stress entwickelt hat. Oder anders gesagt:

Jener Mensch hat gar keine Angst vorm Busfahren sondern lediglich Hunger und durch dieses Elementar-Bedürfnis eine höhere Reizbarkeit, die sich in Verbindung mit dem morgendlichen Kaffee in Herzrasen äußert.


Da viele Menschen dies aber nicht wissen, verknüpfen sie die Symptome Herzrasen und Schwindel unbewusst mit dem Bus statt dem Hunger. Die Folge ist, dass sie die beiden Symptome mit Angst in Verbindung setzen und daraus eine Angststörung werden kann.3

Welche neuronalen Reize Schnitzel verursachen

Ein alltäglicheres Beispiel für eine Gedächtnis-Assoziation ist das Essen von Fleisch: Diejenigen, die beispielsweise gerne Schnitzel essen, setzen den guten Geschmack des Schnitzels alleine mit dem Stück Fleisch in Verbindung.

Dabei ist es im Endeffekt nur das Gewürz, was dem Stück Fleisch seinen guten Geschmack verleiht. Das Fleisch alleine, ohne Gewürz gebraten, wäre eine ziemlich geschmacksneutrale feste Konsistenz.


Wie würde die Welt demnach aussehen, wenn sich mehr Menschen dieser Gedächtnis-Assoziationen bewusst wären?! Würde sich beispielsweise etwas an unserem Fleischkonsum ändern, wenn es einen Fleischersatzstoff gäbe, der in der Gesamtsumme genauso schmecken würde, wie das gut gewürzte Schnitzel?

Bemerkenswerte Veränderungen möglich

Die Folgen wären vermutlich bemerkenswert: Wir würden unseren Fleischkonsum einschränken und damit gesünder leben. Bedenkt man, dass bereits 18 Prozent des weltweiten Treibhaus-Ausstoßes durch Massentierhaltung und veränderter Landnutzung verursacht werden, würden wir gleichzeitig unserem Planeten etwas Gutes tun.4

Sie stellen sich jetzt wahrscheinlich die berechtigte Frage, was eine Angst auslösende Situation oder das Essen eines Schnitzels mit Werbung zu tun hat. Die eigentliche Sache an sich recht wenig, viel spannender ist das große Ganze: Denn wenn es die Möglichkeit gibt, durch Sinnesreize Reaktionen zu verknüpfen, dann verfügt die Werbung plötzlich über noch ungeahnte Möglichkeiten der Umsatzsteigerung.

Für Unternehmen die Lizenz zum Gelddrucken

Diesen Umstand zu verstehen könnte für Unternehmen, die sich mit einem guten Preis-/Leistungsverhältnis auszeichnen „die Lizenz zum Gelddrucken“ sein. Auch wenn unterschwellige Werbung verboten ist, gibt es Möglichkeiten über die Hintertür in das Bewusstsein der Menschen einzudringen und diese zu einem gewünschten Verhalten zu beeinflussen.

Wie? Dazu müssen wir verstehen, wie unterschwellige Werbung funktioniert!
Dass es sich hierbei nicht bloß um einen Mythos handelt, sondern diese tatsächlich wirkt, bewies der Psychologie Wolfgang Strebe in verschiedenen Experimenten.

Fast 50 Jahre nach dem Bekanntwerden des "Iss-Popcorn-trink-Cola"-Experiments durch Packard bewies Stroede 2006, dass bei Probanden das kurze Einblenden der Marke Lipton Ice Tea deren nachfolgende Getränkewahl beeinflusste - allerdings nur bei jenen Teilnehmern, die durstig waren und (!) Lipton Ice Tea gerne tranken.5


Unter welchen Voraussetzungen unterschwellige Werbung wirkt

In diesem und einigen anderen Experimenten wurde bestätigt, was jahrzehntelang als Mythos galt: Unterschwellige Werbung wirkt - sofern Sie gerade auf ein entsprechendes Bedürfnis trifft. Und um die Brücke zum Beispiel mit der Entstehung einer Angsterkrankung zu schlagen:

Für Unternehmen ist es daher von fundamentaler Wichtigkeit mit der Werbung in solchen Momenten in das Bewusstsein des Kunden vorzudringen, wenn der Kunde gerade einen Bedarf feststellt.

"Viele kleine Dinge wurden durch die richtige Art von Werbung groß gemacht."

Mark Twain, 1835-1910, bürgerliche Name Samuel Langhorne Clemens, amerikanischer Schriftsteller

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Einzelnachweise:


1. vgl. Wikipedia: Unterschwellige Werbung unter https://de.wikipedia.org/wiki/Unterschwellige_Werbung

2. vgl. Nature 463, S. 49-53, 2010

3. vgl. Erhardt, Angelika und Schmidt, Ulrike: Fehlalarm!; Gehirn und Geist Nr. 6/2015, S. 57, Spektrum-Verlag, Heidelberg

4. vgl. Handelsblatt: Massentierhaltung schadet Klima unter http://www.handelsblatt.com/technik/forschung-innovation/klima-massentierhaltung-schadet-klima/2916018.html vom 29.01.2008

5. vgl. Gehirn und Geist Nr. 6/2015: Der Wahrheitssucher; S. 53, Spektrum-Verlag, Heidelberg

 

Gelesen 8614 mal Letzte Änderung am Dienstag, 07 Januar 2020 19:19
Christian Esch

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