Die Fußball-WM in Brasilien ist noch keine 5 Tage alt und schon diskutiert die ganze Sportwelt wieder über Schiedsrichter-Entscheidungen. Schuld daran sind die kuriosen Entscheidungen beim Eröffnungsspiel Brasilien gegen Kroatien sowie beim zweiten Spiel Mexiko gegen Kamerun.
Während auf der einen Seite der Ruf nach einem zusätzlich Videobeweis lauter wird, treten auf der anderen Seite die Nostalgiker diesen entgegen und berufen sich darauf, dass Diskussionen über Fehlentscheidungen einfach zum Fußball dazu gehören.
Grund für uns einmal Ursachenforschung zu betreiben und der Frage nach zu gehen, ob sich Schiedsrichter in ihrem Entscheidungsverhalten beeinflussen lassen. Spielen eventuell unbewusst auch andere Faktoren eine Rolle, ob ein Schiedsrichter auf Foul oder auf Weiterspielen entscheidet? Wenn ja, welche wären das?
„Alle Massenveranstaltungen sind Brutstätten der Suggestion.“
(Erich Limpach, deutscher Lyriker; 1899 – 1965)
Dabei sind wir auf drei Einflussfaktoren gestoßen, deren Wirksamkeit bereits in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen wurden und die auch für andere Sportarten gelten:
1. Der Crowd-Noise-Effekt
Hierbei bewertet der Schiedsrichter ein und denselben Vorfall je nach Lärmpegel im Stadion bzw. in der Halle unterschiedlich. Die Kölner Sportpsychologen Daniel Memmert und Christian Unkelbach erklären dies damit, dass Schiedsrichter unbewusst die Geräuschkulisse im Stadion mit der Schwere des Fouls in Verbindung setzen.
Je lauter dabei das Geschrei im Stadion, umso wahrscheinlicher ist es, dass das Vergehen härter geahndet wird. So lässt sich auch der Heimvorteil erklären, da im internationalen Sportgeschehen eher die Heimmannschaften als die Auswärtsteams siegen.1
Der Sportpsychologe Alan Nevill von der Wolverhampton University in Großbritannien bewies dies in einer eindrucksvollen Studie. Dabei ließ er Schiedsrichter Videoaufzeichnungen von 47 Zweikämpfen anschauen, die diese bewerten sollten. Jedoch hörte nur ein Teil von den Unparteiischen den Originalton mit den Reaktionen des Publikums. Die Wahrscheinlichkeit war bei diesen um 15 Prozent höher, ein Foulspiel gegen die Heimmannschaft nicht (!) zu pfeifen.
Als Ursache sieht Nevill den psychischen Druck, den die Zuschauermassen auf den Schiedsrichter ausüben, so dass diese bei strittigen Situationen eher weiterspielen lassen, als einen Freistoß gegen die Heimmannschaft zu pfeifen.2
2. Optische Dominanz des foulspielenden Spielers
Forscher der Erasmus-Universität in Rotterdam analysierten die Foulstatistiken aus mehreren Jahren internationalem Fußball. Besonderes Augenmerk legten Sie dabei auf die Bundesliga, die Champions League und die letzten Weltmeisterschaften. Dabei stellten die Forscher Nils von Quaquebeke und Steffen Giessner fest, dass foulende Spieler im Durchschnitt wesentlich größer sind als die gefoulten Spieler.
An und für sich erklärbar, bedenkt man, dass gerade Innenverteidiger meistens Gardemaß haben. Um diese These zu beweisen, machten die Forscher einen Versuch: Sie zeigten Probanden Bilder von Foulsituationen, bei denen nicht klar zu erkennen war, wer wen gerade attackiert hatte. Genau wie vermutet, gingen die Probanden öfter von einem Foulspiel des großen Spielers aus. Größere Spieler werden von Schiedsrichtern unterbewusst als aggressiver wahrgenommen.3
Auch Statur und Aussehen des Spielertypen, der gerade Foul spielt, kommt eine entscheidende Rolle zu, da Spieler mit dominanter Ausstrahlung bedrohlicher wirken. Das Prinzip der Einschüchterung ist evolutionsbedingt und war früher elementar, um das Überleben zu sichern. So fand der Forscher Albert Mannes von der Universität Pennsylvannia in einer Studie heraus, dass Männer mit rasierten Schädeln als dominanter, größer und als stärker wahrgenommen werden.4
Was auf der einen Seite Respekt beim Gegenspieler verschafft, wird sich auf der anderen Seite negativ gegenüber der Bewertung von Spielsituationen auf den Schiedsrichter auswirken. In dem der Referee unbewusst jenen optisch dominanter wirkenden Spielertypen als aggressiver wahrnimmt, wird er diesen härter bestrafen, als jene Spieler die ein ähnliches Foulspiel begehen, jedoch unbewusst als weniger bedrohlich wahr genommen werden.
3. Die Trikotfarbe
Kaum zu glauben aber wahr, dass manche Vergehen härter bestraft werden, wenn der foulende Spieler ein schwarzes Trikot trägt. Um die Ursache hierfür genauer zu klären, musste jedoch erstmal der Frage nachgegangen werden, ob Mannschaften mit schwarzen Trikots öfter unfair spielen oder ob die Schiedsrichter jene Mannschaften nur auf Grund der dunklen Trikots unbewusst als aggressiver wahr nehmen. Um Antworten hierauf zu finden, machten die Wissenschaftler Mark G. Frank und Thomas Gilovich von der britischen Cornell Universität ein Experiment:
Sie nahmen beim Football verschiedene Spielzüge auf Video auf und erstellten hiervon zwei unterschiedliche Versionen. Während die ersten Version originalgetreu wiedergegeben wurde, war die zweite Version so erstellt, dass die Mannschaft die eigentlich in schwarzen Trikots auflief, jetzt weiße Trikots trug. Wie erwartet zeigte sich, dass die Mannschaft mit den schwarzen Trikots härter für Fouls bestraft wurde, als das Team, dass in weißen Jerseys auflief – und das in gleichen Spielsituationen.5
Fazit
Bezogen auf die Spielsituation im Eröffnungsspiel Brasilien gegen Kroatien wäre es demnach möglich, dass neben dem Heimvorteil der Brasilianer vielleicht sogar die Trikotfarbe den Ausschlag für den Elfmeter gab. Denn während das Gelb der Brasilianer überwiegend mit positiven Eigenschaften in Verbindung gebracht wird, wird die Farbe Rot der rot-weiß karierten Kroatien-Trikots in der Psychologie mit Aggression und Zorn in Verbindung gebracht.
An der Körpergröße und am Spielertyp wird es wohl kaum gelegen haben, da beide Spieler ungefähr gleich groß und gleicher körperlicher Statur sind.
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Einzelnachweise
1. vgl. Schweizer, Geoffrey, Plessner, Henning und Brand, Ralf: Fouls, Pfiffe und Fehlentscheidungen in Gehirn und Geist, Ausgabe Nr. 07/2014, Seite 16 – 18
2. vgl. Czycholl, Harald: Tor, Tor, Testosteron, Welt am Sonntag Nr. 24 vom 15. Juni 2014, Seite 62 – 63
3. vgl. Schweizer, Geoffrey, Plessner, Henning und Brand, Ralf: Fouls, Pfiffe und Fehlentscheidungen in Gehirn und Geist, Ausgabe Nr. 07/2014, Seite 18
4. vlg. Silvermann, Rachel-Emma: Glatzen machen Männer erst so richtig mächtig; Wall street Journal 2012 zitiert in: http://www.welt.de/wall-street-journal/article109840910/Glatzen-machen-Maenner-erst-so-richtig-maechtig.html
5. vgl. Schweizer, Geoffrey, Plessner, Henning und Brand, Ralf: Fouls, Pfiffe und Fehlentscheidungen in Gehirn und Geist, Ausgabe Nr. 07/2014, Seite 18
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