Rückblende: Wir schreiben das Jahr 1837 als der gerade 32jährige Benjamin Disraeli nach zuvor vier vergeblichen Versuchen einen Sitz im britischen Parlament errungen hat. Jener Disraeli war bis dahin lediglich als Romanautor in Erscheinung getreten und wurde durch seinen extravaganten Kleidungsstil äußerst kritisch von seinen Parlamentskollegen beäugt.1
Bei seiner Antrittsrede brach das Parlament in johlendes Gelächter aus. Nicht, weil seine Rede so lustig war, sondern wegen seiner seltsamen Erscheinung. Kaum ein Wort war wegen des hohen Lärmpegels zu verstehen. Disraeli ließ sich von dem Gelächter nicht beirren, er bat nicht um Ruhe und beschwerte sich auch nicht ob der Geräuschkulisse.
Er sprach einfach weiter und brachte seine Rede zu Ende. Als er sich anschließend auf seinen Platz setzte, glaubte er elendig versagt zu haben. Doch zu seiner Überraschung beglückwünschten ihn viele seiner Parlamentskollegen zu seiner Rede. Viele seiner Amtskollegen hegten auf einmal große Sympathien mit dem jungen Politiker.2
Sympathien, die ihm im Laufe der Jahre noch wertvolle Dienste erwiesen und so schaffte es Disraeli sogar 1868 britischer Premierminister zu werden.
“Mir hat noch nie geschadet, was ich nicht gesagt habe.”
Calvin Coolidge, 1872 – 1933, amerikanische Politiker
Das Beispiel “Disraeli” zeigt, wie schnell die Sympathien außenstehender Personen umschlagen können. Hätte sich Disraeli bei seiner Antrittsrede über den Lärmpegel beschwert, so hätte ihn dies wahrscheinlich nur hilflos erscheinen lassen, was die Parlamentskollegen zu noch mehr Spot veranlasst hätte.
Demgegenüber steckte Disraeli sämtliche Tiefschläge ein und verschaffte sich, in dem er mit seiner Rede einfach weiter machte, beachtliche Sympathien bei seinen Parlamentskollegen. Je länger dieses Schauspiel andauerte, umso mehr ergriff das Publikum hinterher Partei für Disraeli.
Dieses Szenario ist ein erstaunliches sich wiederholendes Phänomen: Ab einem bestimmten Punkt ergreift das Publikum Partei für das Opfer – sogar wenn das Opfer vorher selbst der Buhmann war, wie beispielsweise zuletzt am Beispiel des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst zu sehen war. Tagelang berichtete die Presse über die enorme Geldverschwendung des Bischofs.
Tebarz-van Elst reagierte darauf überhaupt nicht und als die Berichterstattung immer weiter auf das Thema einschlug, schwenkte bei einem Teil der Öffentlichkeit plötzlich die Meinung um. Auf einmal waren in der Öffentlichkeit Stimmen zu hören, die sagten “Jeder Mensch macht Fehler” oder “So lange nichts bewiesen ist, sollte niemand ans Kreuz genagelt werden”…
Leider sind sich viele dieses Phänomens nicht bewusst und beschweren sich lieber über ihre Opferrolle, oder meinen, es ihren Kontrahenten mit Beleidigungen gleich machen zu müssen. Jedes beschweren, lamentieren und kommentieren von böswilligen Kommentaren, lässt uns jedoch bei Außenstehenden nur in einem ebenso minderwertigen Licht erscheinen wie unsere Kontrahenten.
Am meisten bestrafen wir unsere Kritiker in dem wir sie überhaupt nicht beachten. Das wird sie ähnlich wie kleine Hunde gegenüber ihren größeren Artgenossen nur zu noch kräftigerem Bellen veranlassen, so dass sie gar nicht mehr merken, wie unsympathisch sie bei Außenstehenden wirken.
Ähnlich wie bei unseren Freunden aus dem Tierreich ist es auch bei uns Menschen: Nicht beachtet zu werden ist oftmals die schlimmste Art der Bestrafung – und unser souveräner Umgang mit dem „Gebelle“ bringt uns obendrein noch jene Menge Benefit beim Publikum. Benjamin Disraeli lässt grüssen…
“Gewissen Menschen gegenüber kann man seine Intelligenz nur auf eine Art beweisen, nämlich, indem man nicht mehr mit ihnen redet.”
Artur Schopenhauer, 1788 – 1860, deutscher Philosoph
Ob Disraeli dieses Phänomen zu jenem Zeitpunkt bereits wusste, ist nicht überliefert. Bekannt ist jedoch das er im Laufe der Jahre regelrecht zu einem Meister der manipulativen Inszenierung wurde.
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Einzelnachweise
1. vgl. Wikipedia: Benjamin Disraeli – http://de.wikipedia.org/wiki/Benjamin_Disraeli
2. vgl. Greene, Robert: Die 24 Gesetze der Verführung; Carl-Hanser-Verlag, München-Wien 2002, Seite 357
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