Es ist der 19. Dezember 1998 als sich Fußball-Deutschland über einen gewissen Ralf Rangnick verwundert die Augen reibt. Jener Rangnick war zur damaligen Zeit Trainer des Zweitliga-Aufsteigers SSV Ulm, der mit seiner in Deutschland revolutionären Spielweise der ballorientierten Raumdeckung für Furore sorgte und an jenem Tag zu Gast im aktuellen Sportstudio war.
Dort erklärte der damalige Trainer-Nobody sein Spielsystem der ganzen Republik und erhielt anschließend den zweifelhaften Spitznamen „Professor“. Während die einen jenen Auftritt des Trainer aus der Fußballprovinz eher belächelten, waren andere erstaunt ob der Dynamik und des Mutes dieses jungen Trainer-Emporkömmlings.
Das gewonnen Prestige verschaffte ihm vorzeitig den Aufstieg in die erste Bundesliga, denn nachdem sein Heimatverein, der VfB Stuttgart, in der Rückrunde in arge Abstiegsnöte geriet, verpflichtete dieser den akribischen Ulmer Coach im Frühjahr 1999. Gute zwölfeinhalb Jahre später informierte ein ausgebrannter Rangnick am 22. September 2011, damals erfolgreicher Trainer von Schalker 04, die Öffentlichkeit, dass er unter Burn-Out leide und trat zur Überraschung der Öffentlichkeit von seinem Amt zurück. Was war passiert?
Perfektionisten wie Ralf Rangnick gelten als Paradebeispiel für Burn-Out-Erkrankungen. Diese kennzeichnen sich dadurch, dass sie ungern Aufgaben delegieren, weil sie glauben, dass andere es nicht gut genug erledigen. Dementsprechend stehen jene Personen oft unter Dauerstress, weil sie alles selber machen möchten. Gerade in unserer heutigen Leistungsgesellschaft ist Burn-Out leider keine Seltenheit mehr. Rangnick war als Trainer ein so akribischer Arbeiter, dass er am liebsten sogar den Mannschaftsbus gefahren wäre, damit sein Team noch besser vorbereitet ist.1
“Perfektionismus ist die ausgefeilte Form der Selbstfesselung – Exzellenz ist einen Weg zu finden, dort wieder heraus zu kommen.”
Thomas S. Regnet, Change & Lean Six Sigma Consultant & Trainer
Um das Burn-Out-Risiko zu reduzieren müssen wir jedoch lernen, unseren Alltag zu entschleunigen. Gerade die Zunahme von Multitasking ist Gift für unser Nervenkostüm und häufig erkennen wir bereits am abendlichen Erschöpfungszustand, dass unser Alltag zu stressig ist. Verursacht wird der Stress vielfach jedoch nicht auf Grund der Arbeit, die wir im Laufe des Tages bewältigen, sondern durch das hin- und her hetzen zwischen den einzelnen Tätigkeiten.
In der Betriebswirtschaft gibt es die sogenannte Wertschöpfungskette, die aufzeigt, welche Einzelschritte nötig sind, um das Rohmaterial zum fertigen Produkt zu erstellen. Eine ähnliche Wertschöpfungskette beinhaltet unser aller Alltag auch. Die Summe der Einzelschritte ist dabei ausschlaggebend für unseren Stressfaktor. Beinhaltet unsere persönliche Wertschöpfungskette zu viele Einzelschritte fühlen wir uns gehetzt, hat diese jedoch nur wenige Einzelschritte fühlen wir uns auch am Abend noch frisch.
Abbildung 1: Die Wertschöpfungskette eines auch am Abend noch fitten Menschen:
Abbildung 2: Die Wertschöpfungskette eines Burn-Out-Kandidaten:
In Abbildung 1 hat der Kandidat gerade einmal 10 Einzelschritte am Ende des Tages bewältigt, während jener Kandidat in Abbildung 2, ohne dass der Arbeitstag bereits beendet ist, schon bei 20 Einzelschritten liegt. Dementsprechend können Sie sich vorstellen, wer am Abend abgehetzter sein wird.
Wer jetzt behauptet, dass eine Textnachricht an Freunde zu schreiben keine Einzelaufgabe ist, hat sicher nicht unrecht. Das problematische an dem Prozess ist jedoch, dass wir unsere eigentliche Arbeitsaufgabe immer wieder von neuem beginnen müssen, so dass wir nicht zum konzentrierten Arbeiten kommen. Versuchen Sie mal eine Arbeit zu erledigen, wenn Sie zwischendrin immer wieder ans Telefon gehen müssen. Das werden Ihre Nerven genauso wenig dauerhaft mitmachen, wie die Nerven unseres Kandidaten in Abbildung 2.
Nachfolgend haben wir einmal die besten 7 Tipps aufgelistet, um unser Burn-out-Risiko zu minimieren:
1. Fokussieren Sie sich stets auf eine einzige Aufgabe:
Multitasking ist Gift für Ihre Nerven! Ganz einfach weil unser Gehirn nicht mehrgleisig fahren kann und somit ständig zwischen mehreren Aufgaben hin- und her springen muss. Keine der Aufgaben machen Sie in diesem Fall mit voller Aufmerksamkeit, so dass Fehler vorprogrammiert sind.
Und passieren doch mal keine Fehler werden Sie hinterher feststellen, dass Sie beim Multitasking wesentlich mehr Energie benötigen als wenn Sie die Aufgaben nacheinander abarbeiten. Wer beispielsweise während des Autofahrens telefoniert, lenkt sich ähnlich starb ab, als hätte er zwei bis drei Gläser Alkohol getrunken.2
2. Lernen Sie Aufgaben zu delegieren
“Wir warten unser Leben lang auf den außergewöhnlichen Menschen, statt die gewöhnlichen um uns herum in solche zu verwandeln.“, lautet ein Zitat des Theologen Hans Urs von Balthasar. Was für die Liebe gilt, gilt auch für den Arbeitsplatz.
Denn je mehr Punkte auf unserer To-do-Liste stehen, umso weniger Zeit haben wir zum Nachdenken und demzufolge für unsere persönlichen Entwicklung. Beachten Sie: Es ist viel einfacher einer Arbeitskraft einige Ihrer Routine-Aufgaben anzulernen, als selbst tagtäglich bis über beide Ohren in Arbeit zu stecken.
„Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern nichts mehr weglassen kann“
Antoine de Saint-Exupéry
Vielleicht mag Sie die Befürchtung, dass ein anderer Fehler machen kann, bislang vom Delegieren abgehalten haben. Sie werden jedoch überrascht sein, wie schnell dieser jemand die Aufgabe beherrscht, Sie brauchen nur etwas Geduld. Lieber zwei Wochen geduldig der Arbeitskraft die Aufgabe erklären statt jahrelang eine vollgepackte To-Do-Liste zu haben, die Ihren Stressfaktor erhöht und es gleichzeitig verhindert, dass Sie neue Projekte anpacken können.
3. Essen Sie in aller Ruhe
Nehmen Sie sich Zeit zum Essen. Vermeiden Sie es, dabei am Smartphone rumzuspielen oder Zeitung zu lesen. Konzentrieren Sie sich mit allen Sinnen auf den guten Geschmack des Essens, das wird den Genuss- und Regenerationsfaktor jeder Mahlzeit optimieren. Esspausen sollten Ruhepausen für den Geist sein, um neue Energie zu tanken.
4. Kalkulieren Sie mehr Zeit für die Morgenroutine ein
Stehen Sie früher auf, damit Sie morgens alle Zeit der Welt haben, um erholt im Büro anzukommen. Wenn Sie bereits morgens unter Zeitdruck stehen und gestresst das Büro erreichen, werden Sie feststellen, dass Sie zum einen weniger bewältigt bekommen und zum anderen gereizter sind, als wenn Sie erholt auf der Arbeit erscheinen.
Stehen Sie lieber eine halbe Stunde früher auf, damit Sie morgens sich alle Zeit der Welt nehmen können um gemütlich und erholt am Arbeitsplatz zu erscheinen.
5. Nehmen Sie sich Auszeiten in der Natur
Gehen Sie öfter spazieren! Forschungen belegen, dass ein Spaziergang durch die freie Natur Balsam für unseren Geist ist. Lassen Sie das Handy zu Hause und nutzen Sie die Zeit um sich vom Alltagsstress zu entspannen. Wer in sich selbst ruht, kann den täglichen Frust ertragen, ohne das gleich die Sicherungen durchbrennen.
6. Nehmen Sie keine Arbeit mit nach Hause
Hier laufen gerade Workaholics Gefahr, in Ihrer Freizeit wieder in den Arbeitsmodus zu gelangen. Die Freizeit sollten Sie zum Erholen nutzen. Wenn Sie jedoch Samstags morgens zu Hause ins Email-Postfach schauen und erfahren, dass ein unbequemer Arbeitsauftrag Sie am Montag erwartet, werden Sie das Wochenende nicht mehr richtig genießen können. Es besteht die Gefahr, dass Sie trotz Wochenende ständig diese Aufgabe im Hinterkopf haben werden.
7. Schlafen Sie genügend
Zu wenig Schlaf sorgt dafür, dass wir reizbarer und weniger belastbar sind, als im erholten Zustand. Vielleicht wundern Sie sich, warum Sie manchmal gereizter sind?! Das liegt einfach am mangelnden Schlaf, der dafür sorgt, dass unser Wahrnehmungstrichter immer enger wird. Da nachgewiesener Weise bis zu 70 Prozent unserer täglichen Gedanken negativ sind, ist die Gefahr groß, dass wir nicht mehr die geistige Frische besitzen um uns gegen diese Gedanken zu wehren.3
Die Folge wird ein höherer Stressfaktor sein, als im frischen Zustand. Studien belegen, dass Menschen ab 17 Stunden Wachsein, beginnen langsamer zu werden und mehr Fehler machen. Nach 24 Stunden Wachsein sind sie ungefähr so fit wie mit einem Promille Alkohol.4
Ralf Rangnick hat die Lehren aus seinem Burn-Out gezogen und mittels Entschleunigung und mehr Bewusstsein für den Alltag, die Rückkehr in den Profifußball geschafft. Zwar arbeitet er momentan nicht mehr als Trainer, jedoch ist er als Manager beim Fußball-Emporkömmling RB Leipzig ähnlich erfolgreich.5
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Einzelnachweise:
1. vgl.: Wiedemann, Roland: Einmal Burn-Out und zurück; vom 25.06.2012 unter http://www.zeit.de/sport/2012-06/rangnick-redbull-burnout-sportdirektor/seite-2
2. vgl. McGowan, Kat: Die Supertasker; Psychologie Heute Ausgabe November 2014, Beltz-Verlag, Weinheim 2014, Seite 46
3. vgl Raghunathan, Raj: How Negative is Your “Mental Chatter“?; veröffentlicht unter http://www.psychologytoday.com/blog/sapient-nature/201310/how-negative-is-your-mental-chatter
10. Oktober 2013
4. vgl. Knab, Barbara: Die Nacht zum Tage machen; Psychologie Heute Ausgabe November 2014, Beltz-Verlag, Weinheim 2014, Seite 53
5. vgl.: Wiedemann, Roland: Einmal Burn-Out und zurück; vom 25.06.2012 unter http://www.zeit.de/sport/2012-06/rangnick-redbull-burnout-sportdirektor/seite-2
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