Rückblende: Wir schreiben den 27. Juli 1953. An jenem Tag wurde in Panmunjeom nach über drei schrecklichen Kriegsjahren und vier Millionen Toten das Waffenstillstandsabkommen zwischen Nordkorea und Südkorea unterzeichnet – bis zu dem heutigen Tage hat sich daran nichts geändert, so dass sich beide Länder formal immer noch im Kriegszustand befinden.
In jenen rund 62 Jahren, die seit dem vergangen sind, hat sich zumindest im südlichen Teil der Halbinsel einiges getan: War das allgemeine Elend nach Unterzeichnung des Abkommens noch nicht einmal mit den schlimmsten Zuständen der heute unterentwickeltsten Länder Afrikas oder etwa Bangladesch zu vergleichen, so gedeihte Südkorea bis zum heutigen Tage zu einem wahren Wirtschaftswunder.
In weniger als 60 Jahren vom Entwicklungsland zum High-Tech-Land
Während Deutschland und Japan nach dem zweiten Weltkrieg wenigstens auf ihren historischen Entwicklungen aufbauen konnten, die auf fast 100 Jahre technischen Fortschritt zurück gingen, gab es in Südkorea keinerlei industrielle Erfahrung. Vor, während und nach dem zweiten Weltkrieg sowie dem Korea-Krieg war Südkorea bestenfalls ein Entwicklungsland.
In einem beeindruckend rasanten Tempo schafften sie es dennoch diesen Riesen-Rückstand aufzuholen und gelten heute in manchen Industriezweigen als weltweit führend. Südkorea gelang diese enorme Aufholjagd gegenüber Japan und der westlichen Welt, weil sie der Erfahrung, die die anderen Nationen bereits besaßen, durch Lernwillen, Fleiß und Selbstbewusstsein trotzten.
Fleiß und Lernwille als Grundtugenden
Sobald es möglich war, stürzten sich die Menschen Koreas auf die neue industrielle Arbeit. Dabei arbeitete die Masse des Volkes sieben Tage die Woche von sechs Uhr morgens teilweise bis Mitternacht. Bis heute hat sich daran nicht geändert:
Wer bereits um 18 Uhr Feierabend hat, geht häufig noch einer zweiten Tätigkeit nach und (!) widmet sich an Wochenenden oder Feiertagen sogar einer dritten Tätigkeit.
Ein Großteil der Schüler und Studenten lernt von 9 Uhr morgens bis tief in die Nacht – derzeit erlangen bis zu 92 Prozent eines Jahrgangs die Hochschulreife. Beispielhaft für die ungeheure Vitalität der Südkoreaner ist ein gewisser Koo In-Hwoi:
Der Beginn einer steilen Karriere
Jener Koo gründete bereits vor Ausbruch des Krieges als damals 40jähriger das Kosmetikunternehmen „Lucky Chemical Industrial Co.“. Im Gegensatz zu den vorherrschenden akademischen Lehren des Konfuzianismus, war Koo ein Verfechter des praktischen Lernens.
Seinen enormen Willen nach ständiger Verbesserung bewies er schon früh: Bei seinem ersten Produkt, der sogenannten „Lucky-Creme“, stellte er fest, dass es schwierig war, Plastikverschlüsse für Tuben zu finden – es gab praktisch keinen Markt dafür!
Jene „Marktlücke“ brachte ihn auf die Idee, in die Fertigung von Plastikprodukten einzusteigen. Es dauerte nicht lange, da produzierte Koo zusätzlich noch Seifenschalen, Kämme und Zahnbürsten.1
Über den Tellerrand hinaus geschaut
Mit den stetig steigenden Einnahmen suchte er schließlich nach Investitionen in Zukunftsindustrien, die noch profitabler sein könnten. Hierfür lag er sein Augenmerk auf elektrische Geräte und gründete 1958 die „Goldstar Inc.“. Bereits ein Jahr später nahm Koo die Fertigung von Radiogeräten auf.
1970 verschmolzen beiden Firmen zu „Lucky Goldstar“ und 1997 änderte man jenen Namen in „LG“ um, da man sich dadurch im Westen eine bessere Wettbewerbsfähigkeit versprach.2
Was wir vom LG-Gründer lernen können
Heute ist LG mit weltweit rund 220.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 14 Milliarden Euro ein Schwergewicht unter den Mischkonzernen – seinem umtriebigen Gründer mit seinen vielen Diversifikationsmöglichkeiten sei Dank! Der Gewinn im Jahr 2014 betrug rund 430 Millionen Euro.3
Grund genug, einmal genauer hin zu schauen. Welche Eigenschaften sind es genau, die wir auf unserem Weg nach oben von Koo In-Hwoi übernehmen können? Herausgefunden haben wir fünf Verhaltensmerkmale, die Koo von vielen anderen Wirtschaftsgrößen unterscheiden, so dass sein Erfolg folgerichtig das Resultat seiner persönlichen Einstellung war!
1. Fließe mit dem Dao
Im Konfuzianismus finden sich allgemein verbreitete religiöse Elemente Ostasiens wie die Verwendung des Begriffs Dao. Der Weise erreicht dabei die Harmonie mit dem Dao weniger durch Verstand, Willenskraft und bewusstes Handeln, sondern vielmehr auf intuitive Weise, indem er sich dem Lauf der Dinge anpasst.
Gemäß der südkoreanischen Staatsreligion des Konfuzianismus übte sich Koo stets in Harmonie! Sich in Geduld zu Üben, gut zu seinen Mitarbeitern zu sein, seine Partner Wert zu schätzen und niemals zu versuchen gegen die Widerstände von Kunden, Lieferanten oder Geschäftspartner anzukämpfen, ist das A und O für alle Arten von Geschäften.
Alles muss fließen
Genau das tat Koo In-Hwoi im Laufe seines gesamten Geschäftslebens. Er tat sein möglichstes und ließ den Dingen dann einfach ihren Lauf – er versuchte nicht diesen Fluss durch Disharmonie zu stören. Der Daoismus besagt, dass alles dem Wandel unterworfen ist und der Weise verwirklicht das Dao durch Anpassung an das Wandeln, Werden und Wachsen.
Hatte Hwoi beispielsweise eine Idee, gab er sich dieser Idee hin und tat sein möglichstes für die Verwirklichung. Wenn nötig, arbeitete er sich in völlig neue Geschäftsfelder ein – er gab sich komplett dem Dao hin.
Es wird als ethisch richtig erachtet, dieser Spontanität ihren Lauf zu lassen und nicht gegen Widerstände vorzugehen, sondern einfach nur sein Möglichstes zum Gelingen seiner Mission zu tun. Die Dinge und ihr Verlauf werden als sich selbst ordnend und sich selbst in ihrer Natur entfaltend und verwirklichend angesehen. Mit anderen Worten: Alles was passiert hat einen Grund.
Jedes Eingreifen gegen den natürlichen Fluss ist Energieverschwendung
Es erscheint dem Weisen somit als sinnlos, seine Energie in einem stetigen Willensakt der Handlung (des Eingreifens in das natürliche Wirken des Dao) zu verschwenden. Vielmehr sollte das Tun angemessen sein. In dem sich Koo durch sein unermüdliches Tun auf immer wieder neue Geschäftsmöglichkeiten aufmerksam wurde, “schwamm” er einfach mit dem Dao.
Er tat in diesem Fall einfach sein Möglichstes und beobachtete was sich daraus entwickelte. Durch den angestrebten reinen und nicht selbstbezogenen Geist soll ein Handeln möglich werden, das nicht durch eigene Wünsche und Begierden verblendet wird. Der Mensch soll einfach „geschehen lassen”.4
Das Dao beeinflusst daher sämtliche Verhaltensweise, da es darauf beruht, aus jeder Situation stets das Beste zu machen. Wird diese Harmonie gestört, wird Chaos die Folge sein. Daher muss es stets das Ziel sein, dass “Dao” in Harmonie zu halten und genau das tat Koo.
2. Bringe Deine Partner niemals in Verlegenheit, sondern widme Ihnen ehrliche Anerkennung
Pflege zuerst das menschliche bevor Du zum Geschäftlichen über gehst. Versuche stets aufrichtige Beziehungen zu Deinen Partnern herzustellen, in dem Du erst über das Geschäftliche redest, wenn Dein Gegenüber damit anfängt. Sei ein guter Zuhörer und übe Dich in Verständnis, damit wirst Du Vertrauen bei Deinen Partnern und Mitarbeitern aufbauen.
Auch das Wissen über deren Geburtstage, Jubiläen, Familien oder Hobbys wird ihnen schmeicheln, so dass Du schnell in deren Gunst steigen wirst – eine positive und gelöste Atmosphäre ist der ideale Nährboden für gute Geschäfte und gute Arbeit. Übe Dich in Lob und Anerkennung für Dein gesamtes Umfeld und die Erträge werden über kurz oder lang ergiebig sein.
Respektvoller Umgang auf allen Ebenen
Bei LG wird dieser Umgang von der obersten Hierarchiestufe an vorgelebt! Bis heute geriet das Unternehmen nie in Skandale oder größere Verwicklungen mit den Gewerkschaftsbewegungen. Gründer Koo In-Hwoi vertrat von früh auf die konfuzianische Tugend der Harmonie im gesamten Unternehmen und lebte so einen respektvollen Umgang mit allen Menschen in seinem Umfeld vor.
Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass der derzeitige LG-CEO Koo Bon-Moo als Anhänger einer philanthropischen Unternehmensphilosophie gilt.5
3. Kontinuierliche Verbesserung als Schlüssel zum Erfolg
Aufmerksames Beobachten ist der Schlüssel zur Weiterentwicklung. Koo In-Hwoi nahm sich auch die Zeit um auf Dinge zu achten, die jenseits seiner eigentlichen Tätigkeit lagen. Dadurch entdeckte er ständig neue Marktnischen wie beispielsweise die Fertigung von Plastikprodukten, in die er dann mit seinem Unternehmen vor drang.
Diesen Drang zur kontinuierlichen Verbesserung gab er auch an seine Mitarbeiter weiter: „Finden Sie etwas, was bisher noch nicht versucht wurde,“ sagte ihnen Koo. „Beginnen Sie mit etwas ganz alltäglichem und trotzdem wichtigen im Leben der Menschen. Wenn Sie dies gefunden haben, dann entwickeln Sie es weiter.
Auch wenn Sie dies bereits geschafft haben, hören Sie nicht auf. Erwarten Sie immer etwas mehr, etwas besseres und lösen Sie auch die schwierigsten Aufgaben.“6
4. Übe Dich in ständigem Lernen
Beschränke Dich nicht zu sehr in Deinen Kernkompetenzen, sondern halte stets Augen und Ohren offen, um Dir weitere Diversifikationsmöglichkeiten zu schaffen. Koo In-Hwoi baute LG stetig aus, in dem er immer wieder Neues ausprobierte.
Mittels Versuch und Irrtum schaffte er es schließlich immer wieder neue Geschäftsmöglichkeiten in das Unternehmen zu integrieren, so dass LG heute neben den Kerngeschäften Telekommunikation, Elektronik, Displays und Chemie mit zahlreichen weiteren Unternehmen verflochten ist, die zum Beispiel Wein oder Coca Cola produzieren oder sich mit Solarenergie beschäftigen.7
5. Denke langfristig!
Der finanzielle Gewinn war zu Beginn von Koo In-Hwoi unternehmerischer Tätigkeit nicht die entscheidende Einflussgröße gewesen, sondern Umsatzentwicklung und Marktanteil. Koo war sich bewusst, dass die Profitabilität das Ergebnis von dauerhaftem Fleiß und kontinuierlicher Weiterentwicklung ist.
Ist erst einmal eine solide Umsatzbasis bei qualitativ guten Produkten erreicht, wird sich der Gewinn zwangsläufig in die gewünschte Richtung bewegen. Der Erfolg gibt ihm Recht, wie wir an den oben genannten Kennzahlen sehen können.
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Einzelnachweise:
1. vgl. Schneidewind, Dieter: Wirtschaftswunderland Südkorea, Springer-Gabler-Verlag, Wiesbaden 2013
2. vgl. Chan Sup Chang und Nahm Joo Chang: The Korean Management System – Cultural, Political, Economic Foundations, Qorum-Books, London 1994
3. vgl. Költzsch, Tobias: LG verkauf mehr Smartphones und Fernseher; vom 29.01.2015; unter http://www.golem.de/news/stark-gestiegener-gewinn-lg-verkauft-mehr-smartphones-und-fernseher-1501-112023.html
4. vgl. Wikipedia: Daoismus unter http://de.wikipedia.org/wiki/Daoismus
5. vgl. Schneidewind, Dieter: Wirtschaftswunderland Südkorea, Springer-Gabler-Verlag, Wiesbaden 2013
6. vgl. LG-Blog: LG-Firmengründer In-Hwoi Koo wurde in CE Hall of Fame aufgenommen unter http://www.lgblog.de/2013/01/28/lg-firmengrunder-in-hwoi-koo-wurde-in-ce-hall-of-fame-aufgenommen/
vom 28.01.2013
7. vgl. Schneidewind, Dieter: Wirtschaftswunderland Südkorea, Springer-Gabler-Verlag, Wiesbaden 2013
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