1. Die Halbzeit beginnt vor dem Pfiff!
Wichtigste Aufgabe des Trainers in der Halbzeit ist es, der Mannschaft dabei zu helfen, im zweiten Durchgang erfolgreich zu spielen. Da bringt es nichts, wenn der Coach hochemotionalisiert sämtliches Fehlverhalten der Mannschaft zum Vorwurf macht. Gerade er muss kühlen Kopf bewahren, damit er auch bei einer schlechten Leistung seiner Mannschaft im ersten Durchgang diese wieder auf Kurs bringen kann. Das bedeutet, dass der Trainer bereits vor dem Halbzeitpfiff planen sollte, was er seinem Team mitteilt, damit er es motivierend übermittelt.1
2. Zeit zum Durchatmen geben!
Wenn die Spieler in der Halbzeit die Kabine betreten, befinden Sie sich noch im Wettkampfmodus. In diesem Zustand ist es schwer bis unmöglich, komplizierten taktischen Ausführungen des Trainers zu folgen. Daher sollte der Coach den Spielern erst einmal Zeit zum Verschnaufen lassen, damit sich der Puls beruhigt und der Adrenalin-Spiegel sinkt.
Der Trainer könnte sich beispielsweise erst einmal mit seinem Trainerteam außerhalb der Kabine besprechen. In dieser Zeit haben die Spieler die Chance, sich körperlich und emotional zu regenerieren. Dann wird es ihnen erheblich leichter fallen, den Anweisungen des Trainers zu folgen.2
3. Maximal drei Anweisungen!
Viele Trainer sind bei schwachen Spielen ihrer Mannschaft geneigt, in der Halbzeit vieles ansprechen zu wollen. Das Problem dabei ist, dass selbst wenn der Trainer den Spielern die Zeit zum Durchatmen gegeben hat, die Köpfe der Spieler aufgrund der psychischen Belastung kaum in Bestform zu erwischen sind. Der Trainer sollte demnach kurze, präzise Anweisungen geben und seine Informationen auf höchstens drei begrenzen. Jede Information mehr wird den Wertgehalt der ersten drei Informationen reduzieren.
Der Sportpsychologe Thorsten Weidig, der bereits die Fußball-Profis des Hamburger SV sowie die Tischtennnis-Nationalmannschaft betreute, berichtet beispielsweise in seiner Dissertation von einem Trainer, der glaubte, er hätte der Mannschaft in der Halbzeit zu wenig Informationen mit auf den Weg gegeben - tatsächlich hatte er jedoch neun Minuten ununterbrochen auf sein Team eingeredet. Daher ist hier Perfektionismus fehl am Platz, der Coach muss seine Informationen priorisieren - am besten bereits vor dem Halbzeitpfiff wie in Punkt 1 beschrieben.3
4. Stets nach Lösungen suchen!
Gute Trainer sind nie problem- sondern stets lösungsorientiert. Das bedeutet, alles was ein Spieler falsch gemacht hat, sollte ihm in der Traineransprache nicht zum Vorwurf gemacht werden, geschweige denn noch einmal ausdiskutiert werden. Ein guter Trainer redet den Spieler stark und gibt ihm Tipps, was er besser machen kann.
Wenn ein Trainer sich zu sehr auf den bzw. die Fehler fokussiert, verstärkt er das Fehlerbewusstsein der Spieler. Die Konsequenz wird sein, dass die Spieler versuchen werden, Fehler zu vermeiden, was folglich zu noch mehr Fehler führen wird. Kritik und Angst zerstören jegliche Intuition und jegliches Selbstvertrauen, daher darf Kritik bestenfalls konstruktiv sein.4
5. Bildhafte Sprache anwenden!
Die bildhafte Sprache ist eines der mächtigsten Motivationswerkzeuge überhaupt. Das beste Beispiel hierfür ist die Ansprache von Jürgen Klinsmann im Dokufilm „Deutschland. Ein Sommermärchen“ über die WM 2006. „Arne, der Tevez, der spürt deinen Atem, der spürt deinen Atem!“, so Klinsmann zu seinem Verteidiger Arne Friedrich, der gegen Carlos Tevez spielte, seines Zeichen Südamerikas Fußballer des Jahres der Jahre 2003, 2004 und 2005.
Bildhafte Anweisungen werden sowohl sachlich im präfrontalen Kortex als auch emotional im limbischen System des Gehirns verarbeitet. Die Folge ist, dass der Angesprochene jene Anweisung sachlich wesentlich schneller verarbeitet und emotional ein motivierender Impuls ausgelöst wird. Durch die Wiederholung wird dies sogar verstärkt und wirkt noch nachhaltiger.
Ein guter Trainer wird nicht sagen, „unsere Abwehr darf niemanden vorbeilassen“ oder „unser Angriff muss mehr Tore schießen“ sondern bildhaft „unsere Abwehr steht wie ein Bollwerk“ oder „unser Angriff gleicht einer Tormaschinerie“.5
6. Vorsicht vor dem Pausen-Syndrom!
Immer wieder zeigt sich, dass Mannschaften unmittelbar nach Pausen am Anfälligsten sind. Von Sportpsychologen wird dieses Phänomen als „warm-up decrement“ (WUD) bezeichnet, da der Körper nach der Pause Zeit braucht, um wieder in den Wettkampfmodus umzuschalten. Vielleicht kennen Sie das auch aus Ihrem Arbeitsalltag: Läuft am morgen bei uns noch alles wie auf Autopilot-Modus, so benötigt der eine oder andere nach der Mittagspause etwas mehr Zeit um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen.
Dieses WUD-Syndrom können wir im Alltag damit bekämpfen, in dem wir Gewohnheiten entwickeln, beispielsweise indem wir stets nach der Mittagspause dieselbe Tätigkeit ausüben. Ähnlich wie im Alltag Gewohnheiten uns dazu helfen, wieder auf Betriebstemperatur zu gelangen, helfen im Sport Rituale, die dem Körper jedes Spieler verdeutlichen, dass er wieder auf „Wettkampfmodus“ umschalten muss.
Mit einem Schlachtruf aus der Kabine laufen oder wie Jürgen Klopp und manche Boxtrainer es machen, den Spielern Ohrfeigen zu verpassen, sei jedem Trainer selbst überlassen. Wichtig ist nur, diese Rituale auch als festen Bestandteil des Pausenabschlusses zu integrieren, um den Körper darauf vorzubereiten wieder in den Wettkampfmodus umzuschalten, damit die Spieler konzentriert und motiviert ins weitere Spielgeschehen gehen.6
7. Dingen einen neuen Bezugsrahmen geben!
Gerade wenn es mal nicht so läuft oder auch wenn Mannschaften gegen sogenannte Angstgegner antreten, müssen Trainer neue unbelastete Situationen für die Spieler erschaffen. Menschen verknüpfen unterbewusst ihre Erfahrungen mit bestimmten Ereignissen: Sofern Sie nicht jüngeren Jahrgangs sind, werden Sie möglicherweise noch wissen, was Sie am 11. September 2001 gemacht haben, als die Meldung des verheerenden World-Trade-Center-Anschlages die Welt den Atem anhalten ließ. Ähnlich wie Sie noch wissen, was Sie an jenem Tag gemacht haben, verknüpfen Spieler unterbewusst mit bestimmten Gegnern entsprechende Erfahrungen - sowohl gute als auch schlechte.
So gibt es für nahezu jeden Spieler Gegner, gegen die er gerne und welche gegen die er weniger gerne spielt. Gegen Mannschaften mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben, werden wir wahrscheinlich auch zukünftig gut spielen. Demgegenüber werden wir gegen Mannschaften, mit denen wir schlechte Erfahrungen verknüpfen, auch zukünftig schlechtere Leistungen abrufen, sofern wir es nicht schaffen, völlig unbelastet in das Spiel zu gehen. Der Spieler muss demnach hier eine völlig neue Ausgangssituation vorfinden, damit er nicht auf die Negativerfahrung zurückgreift. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Phänomen der „selbsterfüllenden Prophezeiung“ auftritt:
Erwarten wir ein bestimmtes Verhalten, begünstigen wir durch unser eigenes Verhalten die Wahrscheinlichkeit, dass genau diese Erwartung eintritt.
Damit solchen Situationen vorgebeugt wird, hilft hier das psychologische Mittel des "Reframing". Von Jürgen Klopp wissen wir beispielsweise, dass er es gerne einsetzt. Mit dem Einsatz von Reframing erleichtert der Trainer es seinen Spielern, mit bestimmten Situationen umzugehen. Es ist sozusagen die Königsdisziplin, um aus seinen Spielern die größtmögliche Leistungsbereitschaft herauszukitzen: Eine Situation wird dabei vom Trainer so umgedeutet, dass die Spieler zu großen Leistungen motiviert werden. Ottmar Hitzfeld machte dies beispielsweise beim letzten WM-Vorrundenspiel der Schweiz gegen Honduras, bei dem es für die Schweiz um den Einzug ins Achtelfinale ging.
Da die Schweiz bei der WM 2010 in Südafrika ebenfalls das letzte Gruppenspiel gegen Honduras bestritt und aufgrund des damaligen Unentschiedens nicht ins Achtelfinale einzog, fand Hitzfeld eine besondere Maßnahme: Obwohl bekannt war, dass er nach der WM als Nationaltrainer aufhört, lenkte er Presse und Spieler vom Angstgegner-Gerede ab, in dem er bewusst die Aufmerksamkeit auf die eigene Person steuerte und bereits von seinem Abschied sprach. So berichtete die Presse im Vorfeld nur davon, dass das Spiel womöglich das letzte Spiel der Schweizer Elf unter Hitzfeld sei. Auf diese Art schaffte er es, aus seiner Mannschaft noch ein paar Prozent mehr Siegeswillen heraus zu kitzeln.
Die Schweiz gewann schließlich souverän mit 3:0 und zog ins Achtelfinale ein. Dieses Beispiel zeigt auch, dass für die Reframing-Methode eine intakte Trainer-Mannschaft-Beziehung oberste Voraussetzung ist.
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Einzelnachweise
1. vgl. Weidig, Thorsten: Erfolgsfaktor Trainer. Das Trainerverhalten in Spiel- und Wettkampfpausen auf dem Prüfstand. Sportverlag Strauß, Köln 2010 zitiert in: Metzger, Jochen: Strategie, Taktik, Burnout - Zur Psychologie des Fußballtrainers, Psychologie heute Ausgabe Juni 2014, Seite 72
2. vgl. ebenda, Seite 72-73
3. vgl. ebenda, Seite 73
4. vgl. ebenda
5. vgl. ebenda
6. vgl. ebenda, Seite 73-74