Nahezu täglich sehe ich Beispiele, die in dieses Muster passen. Neulich, auf dem Kindergeburtstag meiner Tochter, krabbelte der einjährige Max, der noch nicht gehen kann, ständig Richtung Treppenhaus und versuchte die Treppe hoch zu klettern. Sein Vater nahm ihn dann schnell von der Treppe weg und sagte zu ihm: „Nein Max, nicht zur Treppe!“
Getreu der Devise des berühmten Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick, dass Menschen nicht nicht kommunizieren können, können Kleinkinder die Wörter „Nein“ oder „nicht“ gar nicht verstehen. So kam es wenig überraschend, dass der kleine Max ständig weiter versuchte, die Treppe hoch zu krabbeln.
Der kleine Max und der Sinn des Lebens
Sein Vater versuchte dies bereits im Keim zu stoppen und wiederholte stets den gleichen Wortlaut, wovon der kleine Max sich jedoch nicht beeindrucken ließ und es immer wieder aufs Neue probierte…
Im Jahr 2014 war ich einmal auf einem Vortrag des Physikers und Buchautors Markolf H. Niemz, der über den Sinn des Lebens philosophierte. Enttäuscht über die an dem Abend gewonnene Erkenntnis, dass dessen Ansicht zu Folge der Sinn des Lebens im Lernen liegt, ging ich nach Hause, da ich einen spannenderen Lebenssinn erwartete hatte.
Die Erkenntnisse eines Physiker für das Leben
Heute kann ich zurückblickend sagen, dass jener Vortrag sehr wertvoll war, da er mir in vielerlei Hinsicht die Augen öffnete. Wie das?
Wenn Sie, liebe Leser, vielleicht bereits Eltern sein sollten, haben Sie vielleicht auch schon einmal festgestellt, dass Kinder häufig dann in schlechte Laune geraten, wenn wir Eltern sie nicht so lassen wie sie wollen. Selbst meine jüngste Tochter, die gerade mal ein Jahr alt ist, wird schnell rasend, wenn es nicht so läuft, wie sie es sich vorstellt.
Warum Hindernisse hilfreich sind
Ähnlich wie der kleine Max, hatte meine einjährige Tochter eine Phase, in der sie immer wieder versuchte, die Treppe hoch zu krabbeln. Anfangs handelte ich so wie der Vater von Max und versuchte sie vor der Treppe in Sicherheit zu bringen…
Nach einer Zeit stellte ich fest, dass dies nichts brachte. Im Gegenteil, meine Tochter fing an zu heulen, wenn ich Sie von der Treppe weg holte. Was also tun?
Lernen mittels Versuch und Irrtum
Ich versuchte einmal etwas komplett anderes zu machen: Ich ließ meine Tochter einfach krabbeln und stellte mich direkt dahinter, damit sie sich nicht verletzen konnte. Ich feuerte sie sogar an, es weiter zu probieren und wenn sie eine Treppenstufe erklomm, klatschte ich Applaus und feuerte sie an, damit sie es weiter probierte, die nächste Stufe hoch zu gelangen.
Je besser dies klappte, umso stolzer (klingt bei einem einjährigen Kind komisch, aber das Gefühl hatte ich wirklich) wirkte sie. Wenn Sie es einmal nicht direkt schaffte, eine Stufe höher zu kommen, gab ich ihr Starthilfe, damit sie nicht die Motivation verlor. Es dauerte nicht lange, da schaffte sie es, die ganze Treppe von ganz unten nach ganz oben.
Was weise Menschen über den Sinn des Lebens sagen
Immer wenn sie von sich aus versucht irgend etwas Neues zu lernen, lasse ich sie seitdem gewähren, feuere sie an, gebe ihr Hilfestellung wenn sie frustriert ist und achte darauf, dass Sie sich nicht verletzt. Warum ich das mache?
Wenn Lernen tatsächlich unser Sinn des Lebens sein sollte, dann sollte es doch das Ziel eines jeden Menschen sein, so viele Erfahrungen wie möglich während seines Daseins zu machen. Dazu passend ging eine Studie des Motivationsforschers John Izzo vor wenigen Jahren einmal der Frage nach, was das Geheimnis eines erfüllten Lebens ist.
Dazu fragte Izzo zunächst rund 15.000 Personen aus den USA und Kanada „Wen kennen Sie, der oder die auf ein langes Leben zurückblickt und uns etwas wichtiges über das Dasein lehren kann?“.
Wovor wir uns am Ende unserer Tage am meisten fürchten
Izzo erhielt fast 1.000 Vorschläge, aus denen er 235 Personen heraus wählte und von denen er in Interviews erfahren wollte, was für ein erfülltes Leben wichtig ist. Seine Interviewpartner waren zwischen 59 und 105 Jahren alt und wurden von anderen Menschen als außergewöhnliche Persönlichkeiten angesehen, unabhängig davon, wie erfolgreich sie im Berufsleben waren.
Das Erstaunlichste an dieser Studie war jedoch, dass trotz aller Unterschiede der befragten Personen hinsichtlich Religionszugehörigkeit, Alter, Kultur, Ausbildung und wirtschaftlicher Situation, ihre Erkenntnisse über ein glückliches Leben stets dieselben waren.
Und eine jener Erkenntnisse bestätigte Niemz`Annahme über den Sinn des Lebens: Die meiste Angst haben wir davor, irgendwann im hohen Alter feststellen zu müssen, dass wir im Leben etwas verpasst haben.
»Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.«
Winston Churchill, 1874-1965, ehemaliger englischer Premierminister
Im Laufe unseres Lebens bieten sich uns so viele Gelegenheit dieses in unsere gewünschte Bahnen zu lenken, dass wir oftmals jene Chancen versäumen, da wir etwas auf später verschieben wollen oder einfach gerade nicht den Mut haben, das Thema anzugehen. Sei es, weil wir denken wir würden es nicht schaffen oder weil andere Menschen es versuchen, uns auszureden.1
Gerade in jungen Jahren ist die Motivation Neues zu lernen noch hoch. Vielleicht haben Sie sogar bei sich selbst bereits festgestellt, dass es mit zunehmendem Alter immer stressiger wird, Neues zu erlernen.
Womöglich kennen Sie sogar Leute, die regelrecht mit Erschrecken reagieren, wenn diese auf einmal von der Alltagsroutine abweichen müssen - und genau das Verhalten ist es, welches wir verstärken, wenn wir Kindern Ziele ausreden möchten.
Warum Lernen uns glücklicher macht
Bezogen auf den Vortrag von Markolf H. Niemz sehe ich es mit anderthalb Jahren Abstand mittlerweile ähnlich: Wenn wir neues lernen sind wir stolz und dies macht uns glücklich. Wenn wir ein Ziel erreichen, sind wir zufriedener denn je. Warum sollte ich also meinen Kindern dieses Gefühl rauben, wenn sie motiviert sind und sich etwas vornehmen?!
Menschen, die ihnen kluge Ratschläge erteilen und Ideen kaputt reden, werden sie im Laufe ihres Lebens noch genug kennen lernen. Warum also nicht bereits in jungen Jahren versuchen ihr Selbstvertrauen zu stärken, damit sie sich von jenen Personen später nicht entmutigen lassen.
»Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich die gleichen Fehler machen. Aber ein bisschen früher, damit ich mehr davon habe.«
Marlene Dietrich, 1901-1992, deutsch-amerikanische Schauspielerin
Bevor Sie also zu sogenannten Helikopter-Eltern werden, die ihre Kinder mit Angst und Fürsorge jeder Erfahrung berauben, versuchen Sie es doch lieber einmal mit dem anderen Weg: Loslassen und ihre Kinder anfeuern, damit diese stets neue wertvolle Erfahrung machen können und sie gleichzeitig immer dann auffangen, wenn sie einmal drohen hin zu fallen.
Scheiß drauf, wenn etwas nicht gleich beim ersten Versuch klappt! Das mag zwar mitunter auch anstrengend sein, aber hey, es ist die Mühe wert und schließlich geht es hier nicht um Sie! Es geht um Ihren Sprössling - daher ist es wichtig, dass Ihr Sprössling motiviert bleibt.
Mit anderen Worten: Kein Meister ist je vom Himmel gefallen und auch ein langer Weg von 1000 Meilen beginnt mit einem ersten Schritt. Wir müssen diesen ersten Schritt nur zulassen..!
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