In der Folge verkürzen die Gäste nicht nur den Rückstand, sondern gehen im Laufe der 2. Halbzeit sogar selbst mit bis zu 5 Toren-Vorsprung in Führung. Die Vorzeichen sind plötzlich komplett umgekehrt: Jetzt zeigt die Körpersprache der Gäste den unbedingten Willen das Spiel zu gewinnen, während die Einheimischen verunsichert wirken. Am Ende gewinnen die Gäste das Spiel mit 4 Toren Unterschied...
Solche Szenarien spielen sich täglich in allen Bereichen des Amateur- und Profisports ab. Talentiert sein oder gute Einzelkönner in seinen Reihen zu haben, ist keine Sieggarantie. Entscheidend ist, wie wir uns verhalten, wenn es mal nicht so rosig läuft. Große Siege werden im Kopf errungen! Daher beschäftigen wir uns heute einmal mit der Frage, was Sportler/Mannschaften, die gerade einen Negativlauf haben, anders machen können, um wieder auf die Siegerstraße zu gelangen.
"Wenn Du ein Problem hast, dann mach kein Problem daraus."
Delil Duman
Wichtig ist hierbei, die während dem Spiel ausgemachte mentale Schwäche nicht als generelles Problem zu deklarieren. Dies birgt nämlich die Gefahr, aus einer kurzfristigen Momentaufnahme ein mittel- bis langfristiges Problem zu machen! Denn sobald die Spieler erst einmal tatsächlich glauben, dass sie ein mentales Problem haben, wird es schwierig sein, diese vermeintliche Schwäche wieder aus den Köpfen der Spieler raus zu bekommen.
Es ist dann ähnlich wie bei einem Neurotiker, der glaubt, dass er eine bestimmte Krankheit hat und plötzlich die kleinsten Symptome als Beleg für diese Krankheit nimmt, obwohl er in Wirklichkeit kerngesund ist. Es besteht die Gefahr, dass die Spieler zukünftig bei dem kleinsten Anzeichen eines Negativ-Laufes aufgeben, da sie unterbewusst glauben, auf Grund ihrer „mentalen Probleme“ wichtige Spiele nicht gewinnen zu können.
Was können Trainer machen?
Die Wissenschaft hat hierfür folgende drei Lösungsmöglichkeiten ermittelt, mit denen es möglich ist, die Leistung der Spieler nachhaltig zu steigern:
1. Motivierende Rituale!
Der Mannschaft beizubringen sich zukünftig nach jedem noch so kleinem Erfolgserlebnis zu „pushen“, kann schon für einen großen Effekt sorgen. In manchen Ballsportarten gibt es beispielsweise die Möglichkeit des „Einklatschen“. Dies läuft wie folgt ab:
Die Spieler, der sich gerade in der Defensive befindenden Mannschaft, fangen in Erwartung des gegnerischen Angriffes plötzlich entschlossen an rhythmisch zu klatschen. Alle Spieler auf dem Feld und auf der Ersatzbank klatschen mit, im Idealfall sogar noch das Publikum. Ziel ist es, sich selbst zu motivieren und den Gegner einzuschüchtern.
„Solange einer kämpft, ist der Krieg noch nicht vorbei!“
Autor unbekannt
Die neuseeländische Rugby-Nationalmannschaft ist beispielsweise für ihren „Haka“-Tanz vor jedem ihrer Spiele weltbekannt. Dabei handelt es sich um einen legendären Ritualtanz der Eingeborenen, der genau die gleichen Ziele wie das Einklatschen verfolgt. (siehe Video unten).
Die Wissenschaft bestätigt jene Rituale, da in Studien nachgewiesen wurde, dass es alleine durch jene positive Veränderung der Körpersprache möglich ist, den Testosteron- und den Cortisol-Spiegel im Gehirn zu steigern und somit die Aggressivität und Kampfbereitschaft um ein Vielfaches zu erhöhen.1
2. Das Oszillationsprinzip!
In Phasen wo es nicht "rund" läuft, kommt es häufig vor, dass Spieler zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind und zu viel über ihre Fehler nachdenken. Wenn Sie jetzt noch von ihrem Coach auf die Fehler hingewiesen werden, verstärkt dies nur noch den Effekt, so dass Sie noch verunsicherter werden. Gerade bei Mannschaften, deren Spieler überwiegend aus „Kopfmenschen“ bestehen, kann dieser Verstärkungseffekt sogar zum totalen Einbruch führen.
Dann ist es höchste Zeit den Spielern eine Pause zu gönnen, sie stark zu reden, damit sämtliche negativen Gedanken wieder aus ihrem Kopf raus kommen. Der Wechsel von Anspannung zur Entspannung, in der Fachsprache auch als Oszillation bezeichnet, hilft dabei, sich von physischen und mentalen Giftstoffen zu befreien und somit im Kopf wieder freier zu werden.
„Es ist ein sehr guter Plan, sich ab und zu abzuseilen und eine Auszeit zur Entspannung zu nehmen…
Macht man sich danach wieder an die Arbeit, verfügt man über ein sichereres Urteilsvermögen, denn wer ununterbrochen arbeitet, büßt über kurz oder lang an Urteilskraft ein.“
Leonardo da Vinci, 1452 - 1519, Universalgelehrter
In zahlreichen Studien mit hochklassigen Tennisspielern versuchte beispielsweise der Wissenschaftler Jim Loehr herauszufinden, was Weltklassespieler von Durchschnittsspielern unterscheidet und fand zunächst keinen Unterschied. Bis er schließlich beobachtete, wie sich die Spieler zwischen den Ballwechseln verhielten: Während viele der durchschnittlichen Spieler, nach verlorenen Ballwechseln, mit sich haderten, entspannten sich die Topspieler nach jedem Punkt, um sich auf den nächsten Ballwechsel vorzubereiten.
Diese winzigen Intervalle von maximal 20 Sekunden reichten aus, ihre Herzfrequenz zu senken, Klarheit im Kopf zu gewinnen und sich neu zu fokussieren. Vielleicht mag der eine oder andere jetzt einwenden, dass John McEnroe alles andere als entspannt zwischen den Ballwechseln war.
Wenn Sie jedoch einmal genauer hinschauen und dessen Autobiographie lesen, werden Sie feststellen, dass auch ein John McEnroe das Oszillationsprinzip bestätigt. Dort schreibt er nämlich, dass seine Ausraster gegenüber Schiedsrichtern in Wirklichkeit ein großes Handicap gewesen seien, da er damit enorm viel Energie vergeudete. Er beschreibt dies sogar als ausschlaggebenden Faktor für zahlreiche seiner spektakulärsten Niederlagen.2
3. Informationen priorisieren!
Viele Trainer sind geneigt, alles was ihnen negativ aufgefallen ist, in der Halbzeit oder in Auszeiten ansprechen zu wollen. Problematisch daran ist, dass die Köpfe der Spieler aufgrund der psychischen Belastung kaum in Bestform zu erwischen sind. Wenn der Coach demnach tatsächlich hilfreich eingreifen will, sollte er nur die ein bis zwei wichtigsten Punkte ansprechen. Je mehr Informationen Spieler erhalten, umso größer ist die Gefahr, dass sie dadurch noch verunsicherter werden.
Wichtig ist vor allen Dingen, dass die Spieler nicht an Fehler erinnert werden, da dies gerade bei Kopfmenschen nur zur weiteren Verunsicherung beiträgt. Jegliche Negativität ist in solchen Phasen komplett fehl am Platz. Kopfmenschen muss man dazu bringen, Fehler so schnell wie möglich zu vergessen und nach vorne zu schauen.
„Wir sterben alle an Informationsüberflutung, wenn wir nicht einen Weg finden, Dinge besser und kürzer zu sagen. Wenn beides nicht möglich ist, ist kürzer besser.“
Edward Stephens, amerikanischer Hochschullehrer
Der Sportpsychologe Thorsten Weidig, der bereits die Fußball-Profis des Hamburger SV sowie die Tischtennnis-Nationalmannschaft betreute, berichtet beispielsweise in seiner Dissertation von einem Trainer, der glaubte, er hätte der Mannschaft in der Halbzeit zu wenig Informationen mit auf den Weg gegeben - tatsächlich hatte er jedoch neun Minuten ununterbrochen auf sein Team eingeredet.3
Daher ist hier Perfektionismus fehl am Platz, der Coach muss seine Informationen priorisieren und seiner Mannschaft wieder Mut zu sprechen.
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Einzelnachweise
1. vgl. Steinweber, Philipp: Wie ich mich täglich motiviere, vom 23.06.2014 unter http://www.newslichter.de/2014/06/wie-ich-mich-taeglich-motiviere/
2. vgl. Loehr, Jim und Schwartz, Tony: Die Disziplin des Erfolgs, 2003 zitiert in Butler-Bowdon, Tom: 50 Klassiker des Erfolgs, MVG-Verlag, Frankfurt a. M. 2003, S. 272-279
3. vgl. Weidig, Thorsten: Erfolgsfaktor Trainer. Das Trainerverhalten in Spiel- und Wettkampfpausen auf dem Prüfstand. Sportverlag Strauß, Köln 2010 zitiert in: Metzger, Jochen: Strategie, Taktik, Burnout - Zur Psychologie des Fußballtrainers, Psychologie heute Ausgabe Juni 2014, Seite 72