Liegt es an den unterschiedlichen Qualitäten der Spieler oder einfach nur an der Psychologie der Spieler? Und welchen Einfluss haben hierfür Ereignisse vergangener Zeiten? Oder spielen gar die Medien eine entscheidende Rolle in der Wahrnehmung des Gegners durch die Spieler?
„Angst raubt die klaren Gedanken, Mut holt sie zurück und gibt ihnen Flügel.“
(Ekkehard Mittelberg, geb. 1938, deutscher Germanist)
Der norwegische Sportpsychologe Geir Jordet ging in einer Untersuchung einmal der Ursache nach, warum es eigentlich Mannschaften gibt, die häufiger im Elfmeterschießen gewinnen und warum andere Mannschaften häufiger verlieren. Da die Spieler das Elfmeterschießen ähnlich wie einen bestimmten Gegner mit Erfolg oder Misserfolg assozieren, spielen hier ähnlich psychologische Verhaltensmuster wie bei einem sogenannten „Angstgegner“ eine Rolle. So untersuchte Jordet sämtliche Welt- und Europameisterschaften seit 1976.
Die Vergangenheit
Bemerkenswert bei dessen Ergebnissen ist, dass bei Seriensiegern die Trefferwahrscheinlichkeit bei fast 90 Prozent liegt, wohingegen sie nur noch bei 57 Prozent bei Serienverlierer-Mannschaften liegt - und dies unabhängig davon, ob die Spieler beim letzten Elfmeterschießen dabei waren oder nicht. Mit anderen Worten: Die Geschichte vergangener Welt- und Europameisterschaften beeinflusst die Drucksituation der Spieler und demnach die zukünftigen Ergebnisse bei Elfmeterschießen.1
So ist es beispielsweise zu erklären, dass England lediglich eines seiner bislang sieben Elfmeterschießen gewonnen hat, obwohl stets international mit zahlreichen Titeln dekorierte Kicker in seinen Reihen gestanden haben. Nach dem Sport-Psychologen Jens Heuer, kann wiederholtes Versagen zu dem Glauben führen, gegen den entsprechenden Gegner nicht gewinnen zu können und so der Mythos vom Angstgegner entsteht.2
Ähnlich sieht es beim Elfmeterschießen aus, so dass wiederholtes Versagen im Laufe der Zeit zu der Erkenntnis reifen kann, dass andere Mannschaften im Elfmeterschießen besser sind.
Die Medien
Auch die Medien spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Diese machen einen Gegner genauso schnell zum Angstgegner, wie sie bereits die Minuten zu zählen beginnen, sobald ein Stürmer drei Spieler hintereinander kein Tor geschossen hat. Genauso wenig Beachtung wie der Trainer der Torlosigkeit seines Stürmers schenken sollte, sollte er auch dieser Berichterstattung schenken. Am Beispiel des Stürmers sollte er sogar immer wieder dessen Stärken betonen und ihm vertrauen, dann wird dieser sicher wieder treffen. Was im kleinen funktioniert, funktioniert auch im Großen.
So überwinden Sie den Mythos
"Wenn du nicht glaubst, dass du es kannst, hast du keine Chance."
(Arsene Wenger, geb. 1949, französischer Fußballtrainer)
Heuer´s Tipp lautet daher: Trainer müssen es schaffen, dass für die Spieler unbelastete Situationen entstehen, die diese nicht mit negativen Erinnerungen assoziieren.3 So sollten sie beispielsweise keinesfalls den Gegner stärker reden oder auf die Angstgegner-Problematik hinweisen. Der Trainer ist stets auch Vorbild und wenn er bereits so negativ denken würde, was sollten dann erst die Spieler denken?
Wenn eine Mannschaft immer wieder Ihrer Stärken bewusst gemacht wird, kann dies schon ausreichen, um am Ende ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen.4 Wichtig ist, dass die Mannschaft keinen negativen Druck verspürt, der in Angst ausarten kann. Angst zerstört jede Intuition, so dass die Spieler nicht mehr an die eigenen Stärken glauben, sondern lediglich noch Furcht vorm Versagen haben und ein Fehlervermeidungsverhalten an den Tag legen, welches letztlich zu Fehlern führt.
Dazu können Kleinigkeiten den Unterschied ausmachen: Beispielsweise eine andere Trikotfarbe als gewöhnlich oder eine überraschend andere Taktik gegen den Gegner als bei der letzten Niederlage, etc. Die Spieler müssten als Ausgangssituation gegen jenen Gegner vollkommene neue Bedingungen vorfinden, damit diese mit der Einstellung gegen den Gegner herangehen, als hätten sie noch nie gegen jene Mannschaft gespielt. Damit sie diesen bewusst und unbewusst vollkommen wertfrei einschätzen und sich auf die eigenen Stärken fokussieren.
"Wenn du zuversichtlich bist, hast du eine Menge Spaß.
Und wenn du Spaß hast, kannst du erstaunliche Dinge tun."
(Joe Namath, geb. 1943, legendärer NFL-Quarterback)
Wie aber sollte ein Coach reagieren, wenn eine Mannschaft eine miserable Bilanz im Elfmeterschießen hat? Hier ist es beispielsweise am sinnvollsten, wenn der Trainer bestimmt, wer die Elfmeter schießt. Er sollte die Spieler auf keinen Fall fragen, ob sie es sich zu trauen, sondern sollte die Spieler hierfür nominieren, denen er vertraut.
Das zeigt dem einzelnen Spieler zum einen, dass der Trainer auf seine Stärke vertraut und nimmt den Top-Spielern der Mannschaft den Druck auf Grund der hohen Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, unbedingt einen Elfmeter schießen zu müssen, auch wenn sie sich nicht sicher fühlen.
Geir Jordet fand nämlich heraus, dass es oftmals die Topspieler sind, die beim Elfmeterschießen versagen, da sich diese auf Grund des medialen Hypes um ihre Person besonders unter Druck setzen. „Je mehr mit internationalen Titeln verwöhnte Spieler im Kader einer Mannschaft stehen, umso größer ist die Gefahr, dass jene Mannschaft beim Elfmeterschießen versagt!“, so das Ergebnis von Jordet´s Analyse.6
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Einzelnachweise
1. vgl. Czycholl, Harald: Tor, Tor, Testosteron; Welt am Sonntag Nr. 24 vom 15.06.2014, Seite 62
2. vgl. Heibel, Marco: Der Psychologie-Mythos vom Angstgegner; 2010; http://www.netzathleten.de/Sportmagazin/Sports-Inside/Der-Psychologie-Mythos-vom-Angstgegner/8352270580413758934/head
3. vgl. ebenda
4. vgl. ebenda
5. vgl. Mrasek, Volker: Warum England im Elfmeterschießen immer verliert, 2009; http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/sportpsychologie-warum-england-im-elfmeterschiessen-immer-verliert-a-605078.html